Philosophie

Was heißt Philosophieren an der Schule?

Die Zeit, in der wir leben, ist zunehmend durch die Auflösung tradierter Sinnkonzepte geprägt; dieser Prozess dringt heute in alle Facetten unseres gesellschaftlichen und persönlichen Lebens ein und markiert eine tiefe Sinnkrise.

Schule kann in zweierlei Hinsicht auf diese Situation reagieren:

  1. Sie kann versuchen, den Schülerinnen „bessere Sinnkonzepte“ in affirmativer Weise zu vermitteln, und
  2. sie kann versuchen, die Sinnsuche des Menschen selbst zu thematisieren.

Philosophieunterricht:

Dem zweiten Weg sieht sich der Philosophieunterricht besonders verpflichtet. Ein Philosophieunterricht, der den Menschen ernst nimmt, wird ihn dazu anleiten, das Bedürfnis nach Sinn in Freiheit zu erfüllen.

Es gelten dabei folgende Prinzipien, die zugleich auch die Globalziele des Unterrichts markieren: Die Schülerinnen sollen

  • sich selbst als Individuen begreifen, die ihrer Anlage nach ihre Probleme und Lebensfragen eigenständig und in Freiheit lösen können
  • ihre Mitmenschen in genau dieser Bestimmung zu achten lernen
  • im täglichen Zusammenleben alle Möglichkeiten aufzugreifen lernen, Sinn zu erfahren und für sich selbst und andere zu verwirklichen.

Ein besonderer didaktischer Schwerpunkt liegt hierbei beim emotionalen Lernen. Die angestrebte Selbst-Fertigkeit wird nicht nur in einem Prozess der Aneignung kognitiver Inhalte erworben, sondern entwickelt sich nach unserer Einschätzung insbesondere durch das achtsame soziale Miteinander.

Ein zweiter Schwerpunkt ist die Pflege der Kommunikationskultur, da nur präzise sprachliche Ausdrucksformen Verstehen ermöglichen; Verstehen aber ist die Basis der Selbst-Fertigkeit. In diesem Sinne ist die Überlieferung philosophie-historischer Kenntnisse ein dritter Schwerpunkt des Unterrichts, wobei diese Inhalte stets nur den Anspruch von Angeboten erfüllen, ohne wahrheitsverbindlich zu sein. Wahrheitsverbindlich ist allein die Selbst-Fertigkeit unserer Schülerinnen.

Der Beitrag des Faches Philosophie zum Erwerb der Lernkompetenz

Der Lehrplan Philosophie erläutert dazu Folgendes:

Das Fach Philosophie leistet einen spezifischen Beitrag zum Erwerb der Lernkompetenz und entwirft damit sein charakteristisches Lernprofil. Die vier Aspekte der Lernkompetenz (Sach-, Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz) bedingen und durchdringen einander in vielfältiger Weise. Ihre Unterscheidung soll helfen, Lernprozesse zu organisieren und zu beurteilen.

Sachkompetenz

Die Schülerinnen und Schüler erwerben die Fähigkeit,

  • sich im philosophischen Denken zu orientieren
  • den Menschen als ein Wesen aufzufassen, das für sein Handeln verantwortlich ist
  • die Grundlagen unserer Auffassung von Wirklichkeit zu reflektieren
  • ihr kritisches Bewusstsein auf die Möglichkeiten und Grenzen unseres Denkens zu richten
  •  die Frage nach letzten Prinzipien, Sinndeutungen und Gründen menschlichen Daseins als unverzichtbaren Bereich philosophischer Reflexion zu verstehen.

Methodenkompetenz

Die Schülerinnen und Schüler erwerben die Fähigkeit,

  • genau und folgerichtig zu denken
  • philosophische Termini sachgemäß anzuwenden
  • theoretische Ansätze und Methoden auf Sachverhalte und Argumentationszusammenhänge zu   übertragen
  • sprachlich angemessen und widerspruchsfrei zu argumentieren
  • die Besonderheit philosophischen Fragens und Reflektierens zu erkennen.

Selbstkompetenz

Die Schülerinnen und Schüler erwerben die Fähigkeit und Bereitschaft,

  • ihr Interesse auf sich selbst als reflektierende Wesen zu richten
  • Motive eigenen Denkens und Handelns zu erkennen
  • einen eigenen Standpunkt zu entwickeln
  • Gründe für eigenes Denken und Handeln im Gespräch zu entfalten
  • die kontroverse Auseinandersetzung innerhalb des eigenen Bezugsrahmens und im Vergleich   mit anderen Kulturen als Bereicherung eigenen Denkens zu verstehen
  • mit der Spannung zwischen Selbstbestimmung und den Bedingungen und Einschränkungen der Freiheit bewusst umzugehen
  • Verantwortung für eigenes Denken und Handeln zu übernehmen
  • sich mit Frauen- und Männerbildern auseinander zu setzen, Unsicherheiten in der Rolle als Mann oder Frau zu reflektieren und abzubauen.

Sozialkompetenz

 

Die Schülerinnen und Schüler erwerben die Fähigkeit und Bereitschaft,

  • sich in andere Menschen und andere Denkweisen hineinzuversetzen
  • die Vorstellungen und Gedanken anderer zu würdigen und ihnen mit Toleranz zu begegnen
  • sich mit anderen vernunftgeleitet auseinander zu setzen
  • unterschiedliche männliche und weibliche Interpretations- und Interaktionsmuster zu reflektieren, zu respektieren und für den Lernprozess in Gruppen zu nutzen.

Oder etwas einfacher gesagt:

Philosophie ist der Verzicht auf die Anstrengung, dumm zu bleiben.

Odo Marquard


Artikelbild von mararie (flickr)